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Sind Digitalisierung und Altenpflege miteinander vereinbar?

„Problem für technische Lösungen gesucht“ – das war oftmals das Motto, unter dem die Vorträge des Workshops „Digitale Strategien für die Altenpflege im Revier: Was ist sinnvoll? Was wird gebraucht?“ am 22. Januar 2020 im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen standen. Im Rahmen des kostenlosen eintägigen Workshops sollten Pflegeeinrichtungen, Beschäftigten im Pflegebereich und Angehörigen neue Angebote im Bereich Digitalisierung vorgestellt werden. Dabei stand nicht der technische Aspekt im Vordergrund, sondern viel mehr die realistischen Perspektiven für mehr Versorgungssicherheit und Arbeitsqualität.

Vortrag beim Workshop zur Digitalisierung der Altenpflege
Der Workshop umfasste verschiedene Vorträge, darunter auch der von Referent Tim Liedmann (Bühne links), Vorstand des Christophoruswerkes.

Gelsenkirchen. Künftige Entwicklungschancen und Finanzierungsmöglichkeiten, Herausforderungen für gute Pflege, der Mehrwert durch digitale Technik und die bedarfsorientierte Stärkung der lokalen Pflegelandschaften – all diese Themen wurden bei den Vorträgen und Diskussionen im Workshop „Digitale Strategien für die Altenpflege im Revier: Was ist sinnvoll? Was wird gebraucht?“ erörtert. Organisiert wurde die Kooperationsveranstaltung von der Ruhrgebietskonferenz Pflege, dem Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule und dem Teilprojekt I-CARE von connect.emscherlippe.

Begonnen hat der Workshop, nach einer Begrüßung durch Moderatorin Michaela Evans, der Direktorin des Forschungsschwerpunktes Arbeit und Wandel am IAT, mit der DAK-Informationsveranstaltung. Leiter der Landesvertretung NRW der DAK Gesundheit Düsseldorf, Klaus Overdiek, erklärte dabei das Pflegepersonalstärkungsgesetz und stellte mögliche Förderprogramme für eine gute Pflege vor. Dabei ging er vor allem auf die Motivation ein, die zur Weiterentwicklung in der Pflege geführt hatte. Seiner Meinung nach sei die Politik nicht wirkungsorientiert, daher seien Veranstaltungen wie der Workshop so wichtig. Man müsse sich selbst bemühen, um gemeinsam über Dialogformen Perspektiven entwickeln zu können. Dass das immer wichtiger wird, zeigen auch die wachsenden Zahlen der Pflegebedürftigen mit inzwischen 3,4 Millionen in Deutschland, auf die nur 100.000 Pflegekräfte kommen. Um da eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, seien virtuelle Pflegeeinrichtungen, virtuelle Vernetzung und virtuelle Krankenhäuser wichtig. „Die Technik wird nicht Menschen ersetzen. Menschen müssen für Menschen da sein. Aber die Technik muss den Menschen bei der Arbeit unterstützen und vorhandene Ressourcen schonen“, betonte Klaus Overdiek. Dafür gibt es schon Förderungsanträge für Maßnahmen, die beispielsweise eine einfachere Überwachung von Patienten ermöglichen würden, wie die Möglichkeit Impulse zu senden, wenn Personen sich Zuhause nicht genug bewegen. Bevor diese Maßnahmen umgesetzt werden, sollte aber zunächst das Ziel einer Verknüpfung des ambulanten und stationären Bereichs, erreicht werden.

Bei einer anschließenden Diskussion hatte das Publikum die Möglichkeit, direkt auf den Vortrag einzugehen und Fragen an Klaus Overdiek zu richten. Silke Gerling von der Diakonie Essen gab zu bedenken, dass ein Budget von 12.000 Euro nicht viel sei. Weitere Kommentare gingen darauf ein, dass Gebäude alt seien und die Verkabelung nicht den digitalen Ansprüchen entspräche. Dazu müsse man sich ganz neue Gedanken machen. Außerdem haben Pflegeeinrichtungen oftmals kein Personal für Antragstellungen und das bei einem ohnehin schon sehr schwierigem Antragsverfahren. Dem stimmt auch Ulrich Watermeyer von der Diakonie Münster zu: „Es gab keine Reaktion auf Anträge, wir sind in Vorleistung gegangen. Die Genehmigung kam viel zu spät, aber gut, dass sie überhaupt kam.“ Weitere Kommentare erfragten, nach welche Kriterien entschieden wird, wer und welche Mittel überhaupt förderungsfähig seien. Manche Teilnehmer waren sogar der Meinung, dass das „Steinzeit-Level“ nicht an den Einrichtungen, sondern an den Krankenkassen liege. Antwort der DAK: Bisher wurden 1,2 Millionen Euro gefördert und 300 Anträge von 3400 genehmigt. Ein Teilnehmer schlug weiterhin vor, dass im ersten Schritt bei den Ärzten angefangen werden sollte. Hier seien moderne Kommunikationswege wichtig, da viele nicht bereit seien, E-Mails zu schreiben und weiterhin nur das Fax nutzen. Allerdings gäbe es das Problem der Datensicherheit: Faxe sind datensicher, E-Mails nicht unbedingt. Insgesamt entstand bei der Diskussion der Eindruck, dass viel Geld im System ist, es aber schwierig ist, an das Geld dranzukommen.

Der nächste Vortrag, „Digitalisierung für die Altenpflege: Betriebliche Gestaltungschancen und Umsetzungsstrategien“, durchgeführt von Tim Liedmann, Vorstand des Christophoruswerkes Duisburg, einer Arbeitnehmervertretung, sollte an den ersten Vortrag anschließen. Inhalt war der alltägliche Umgang mit digitalen Angeboten für die Pflegebranche. Dabei ging er auch wieder auf die Ängste der Pflegekräfte ein, ersetzt zu werden und das Problem Datenschutz. Seine Lösung für eine Unterstützung des Personals, ist eine zusätzliche Ausstattung mit Smartphones. Allerdings sollte sich, seiner Meinung nach, jede Einrichtung immer fragen, welche Technologien für sie wirklich sinnvoll und wichtig sind. Dabei ging es nicht darum, dass das Christophoruswerk keine Lust auf Veränderung habe. „Lust haben wir schon, aber es muss gut überlegt sein. Die Digitalisierung ist einfach teuer und das Geld begrenzt“, so Tim Liedmann.

Anschließend wurden konkrete Methoden und Maßnahmen zur Digitalisierung vorgestellt. Dazu gehören auch digitale Assistenzsysteme. In dem Vortrag „Perspektiven von SMART CARE: Digitale Assistenzsysteme in der Altenhilfe“ erklärt Dr. Bettina Horster, Vorstand der VAVAI Software AG in Dortmund, was es damit auf sich hat. So seien die Assistenzsysteme Pioniere im Bereich Internet of Things. Dabei werden Seniorenwohnungen mit Koffern mit Sensoren ausgestattet. Diese überwachen unter anderem Stürze und erinnern die Senioren daran, genug zu trinken. Die Technologie ist in China schon weit verbreitet, kommt dort aber einer puren Überwachung gleich. Das soll in Deutschland anders laufen. Die Sturzsensoren wurden im Jahr 2017 bereits bei den Regio Stars Awards von der Europäischen Kommission ausgezeichnet. Problematisch sind neben dem Datenschutz momentan auch noch die hohen Kosten von 2.000 Euro und die laufenden Ausgaben für Forschung.

Nach einer Kaffeepause folgten zwei weitere Vorträge: „Professionelles Bewerbermanagement gegen den Fachkräftemangel“ von Caroline Masquelier vom Diakonischen Werk Gladbeck, Bottrop Dorsten und „Schwarmintelligenz im Recruiting“, durchgeführt von Katharina Koutny, Senior Partnership Manager der firstbird GmbH in Wien. Abschluss des Workshops bildete eine offene Diskussion rund um die Frage:Was ist notwendig, um lokale Potenziale zu heben?“. Projektmitarbeiter von I-CARE, Christopher Schmidt zeigte sich nach dem Workshop sehr zufrieden: „Ich habe mich über die angeregte Debatte sehr gefreut. Das hat widergespiegelt, dass das Budget von 12.000 Euro definitiv nicht ausreicht.“ In Zukunft soll die Zusammenarbeit mit Krankenkassen weiterhin verstärkt werden. Auch ein zweiter Workshop ist geplant, am 30. März. Er soll digitale Lösungen für Bildung in der Altenpflege thematisieren und dabei Webinare und E-Learning-Seminare vorstellen.

Bildergalerie vom I-CARE-Workshop

Veröffentlicht von Sarah Mecklenburg am 03.03.2020.
Autorin: Sarah Mecklenburg

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